„Wir haben das Monopol auf Gott verloren“

Erwacht es wieder, das Interesse an Gott? Für die Menschen der Reformationszeit war Gott allgegenwärtig, meist beängstigend nahe, majestätisch weit weg. Und 500 Jahre später? Diese Frage haben in der Dekane-Runde die beiden Erlanger Dekane Josef Dobeneck von der katholischen und Peter Huschke von der evangelischen Kirche diskutiert. Die Veranstaltung fand in kreuz und quer – Haus der Kirche Erlangen in Zusammenarbeit mit Bildung Evangelisch statt.

Den Gott der Kirchen kennt man – vielleicht noch, gut verpackt in alten Geschichten ist er eher ein Fremder geworden. Und manche vermuten: Kirche lebt auch ganz ohne Gott. Aber dass es eine Kraft gibt, hinter allem das glauben die Menschen vermehrt. Während die einen noch die letzte Gotteserinnerung aus der Gesellschaft tilgen wollen, sehen andere, Soziologen und Philosophen in der neuen Frage nach Gott eine Schlüsselfrage für die Zukunft der Menschen – und dies nicht nur für das Miteinander der Religionen.

Der Leiter der Evangelischen Stadtakademie Dr. Hans Jürgen Luibl gab zu Beginn der Veranstaltung einen Überblick der wichtigsten Debatten in diesem Zusammenhang. Dabei streifte Dr. Luibl die Spiritualitäts-Welle Mitte der 1970er Jahre bis hin zur religiösen Wende auch in der Philosophie, bei der auch wieder die Frage nach Gott gestellt wird. Zugleich ging Luibl auch auf aktuelle Krisen, die nicht zuletzt durch die Terroranschläge vom 11. September, ein. Thematisiert wurde auch das Verhältnis von Gott und Staat sowie die Frage, ob Gott nur noch als Entertainer ins Spiel kommt.

Dekan Peter Huschke betonte, dass die Nachfrage der Menschen nach Gott durchaus da sei, jedoch meist nicht in der Art und Weise, wie die Kirche Gott definiere. Dekan Josef Dobeneck ergänzte, dass die Frage nach Gott erst mit dem Tod endgültig beantwortet werden könne. Dabei gehe es um Grundfragen, die er oft lieber mit Atheisten diskutiere, als mit Menschen, denen diese Frage grundsätzlich egal sei. Zusätzlich räumte Dobeneck ein: „Wir haben als Kirche das Monopol auf Gott verloren“ und verwies auf die oben bereits andiskutierten Trends, dass sich Menschen oftmals ihre Religion nach Belieben zusammenbasteln könnten – der Einfluss der Kirchen sei geringer geworden. „Wir können als Kirche aber die Neugierde auf Gott wach halten, und neu wecken, das sehe ich auch für die Zukunft als wichtige Aufgabe für uns.“

Für Erlangen betonten beide Dekane die gute Zusammenarbeit in der Ökumene. „Die christlichen Kirchen tragen hier zum Zusammenhalt der Gesellschaft bei. Das tut gut. Aber wir müssen dabei auch authentisch bleiben“, sagte Dekan Dobeneck. Sein evangelischer Amtskollege ging noch einen Schritt weiter und kritisierte, dass Kirche nicht nur für Defizit-Arbeit genutzt werden sollte. „Erlangen ist eine reiche Stadt und damit eine ideale Stadt für das Lob Gottes.“ Doch wenn es Menschen schlecht gehe, entdecken sie wieder die Religion. Huschke: „Warum danken wir Gott nicht auch für die vielen Dinge, die wir geschenkt bekommen?“ Viele Menschen würden für Esoterik und Wellness-Wochenenden viel Geld ausgeben. „Dagegen ist der Sonntagsgottesdienst sehr preisgünstig“, sagte Dekan Huschke provokant. Gott sei zu schade, wenn er nur als Lückenbüße-Gott bei Problemen, Defiziten und Krisen ins Spiel komme.

In Fragen der Seelsorge kommt Gott bei beiden Dekanen vor allem in Trau-Gesprächen ins Spiel. Dekan Dobeneck fragt jedes Paar, was ihnen denn eine kirchliche Trauung bedeute. „Viele Paare sind da überrumpelt, dann gebe ich ihnen Zeit und sie können später per E-Mail antworten“, berichtet Dobeneck aus der Praxis. Die Antworten lauten oft so: „Wir alleine schaffen es nicht. Da gibt es etwas Größeres auf das wir vertrauen.“ Dekan Husche hat in dem Zusammenhang noch die Erfahrung gemacht, dass in Trau-Gesprächen auch eine vorherige Scheidung schnell zur Sprache kommt. „Da gibt es ein hohes Bedürfnis, die Scheidung zu erklären, ohne dass ich das von mir aus frage“, erzählte Huschke.

Die Frage, wie man nun mehr Neugierde auf Gott wecken kann, wurde an diesem Abend natürlich nicht abschließend geklärt. Festzuhalten bleibt jedoch, dass die Menschen weiterhin ein Interesse an den letzten Geheimnissen des Lebens haben. Beantworten muss aber die Frage nach Gott wohl jeder Mensch für sich selbst.


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