Von Kreuz, Bier und Macht: Die PARTEI im Wahlkampf 2017

In Nürnberg kämpft der 51-jährige Jörg Knapp für die Satire-Partei / Wahlkampfzentrale im Kunst-Atelier „Raum Zehndrei“ / Jesus als Provokation für Hitler / Bier entscheidet

NÜRNBERG (sem). Der Wahlkampf ist langweilig? Das TV-Duell Schulz-Merkel war dröge? Vielleicht ist die kleine, oft unterschätzte Satire-Partei Die PARTEI die letzte Hoffnung für diesen Bundestagswahlkampf. Einer ihrer „Parteisoldaten“, Jörg Knapp steht an einem Freitagnachmittag, wenige Wochen vor der Bundestagswahl, in der Nürnberger Parteizentrale, im „Raum Zehndrei“ mitten in der Innenstadt. In dem Kunst-Atelier liegen sie überall verstreut die pfiffigen PARTEI-Wahlplakate. „Wir heben die Stimmung in diesem Wahlkampf erheblich“, sagt der 51-Jährige selbstbewusst. Auch er ist, wie alle seine PARTEI-Kollegen mit roter Krawatte und blauem Hemd gekleidet. Motto: „Seriös, weil Schlips!“, prangt es auf einem Plakat. Doch offenbar hat das PARTEI-Outfit viel pragmatischere Gründe: Blau-Rot kommt in den Farben der „Titanic“ vor und der graue Anzug bei C&A ist für jeden erschwinglich. „Wenn wir mehr Parteispenden hätten, würden wir natürlich auch Bio-Anzüge kaufen“, versichert Knapp. Mit einigen Dutzend PARTEI-Freunden zog er am vergangenen Sonntag (03.09.2017) mit Satire-Plakaten durch Nürnberg. Tags zuvor postierte sich Knapp alleine mit zwei Plakaten auf einem stillgelegten Brunnen am Tiergärtnertorplatz während der Nürnberger Rede des Spitzenkandidaten von Bündnis 90/ Die Grünen, Cem Özdemir.

Als Kanzlerkandidat tritt 2017 der Comedian Serdar Somuncu für die PARTEI an. „Wir haben ein Gegengewicht zu Frau Merkel und Herrn Erdowahn gesucht, jemanden, der schöner, jünger oder besser ist“, berichtet Knapp. Wie hoch schätzt er die Chancen für Somuncu ein? „Bei weit über 100 Prozent! Ja, natürlich wird er Kanzler“, ist Knapp überzeugt. Die PARTEI habe ohnehin „erhebliche politische Erfahrungen“ in Kommunalparlamenten, Bezirkstagen und Hochschulvertretungen vorzuweisen. Der Titanic-Redakteur und Bundesvorsitzende von die PARTEI, Martin Sonneborn, sitzt seit 2014 im EU-Parlament. Das Ziel der PARTEI sei für Knapp klar: „Wir wollen die Mehrheit erreichen, die Macht übernehmen, um uns hemmungslos zu bereichern“, stellt er klar. „Wir wollen auch keine Totalopposition sein, sondern wir wollen die Macht. Wir orientieren uns dabei an Ländern wir Nordkorea, Kuba und Bayern.“

Er referiert auf die Frage, welches inhaltliche Ziel die PARTEI verfolge: „Wir sind korrupt, aber machen es billiger als die anderen.“ Eigentlich wolle die PARTEI Inhalte überwinden, erklärt der Nürnberger „Parteisoldat“, doch setzt die PARTEI auf Biertrinker (Knapp: „Die Bundesdeutschen sind fleißige Biertrinker, da geht es um reale Fragen an den Biertischen der Republik!“) und die Mobilisierung von Nichtwählern („Wir wenden uns an die anderen 50 Prozent“) sowie Grundsätzliches zum Wahlprocedere.

Bei letzterem ist in diesem Wahlkampf erstmals ein Plakat im Einsatz, bei dem eine Hitler-Karikatur am Kreuz hängt, und eine Jesus-Karikatur dahinter steht und den Finger auf den Mund legt als würde er „Pssst“ sagen. Dazu der Text: „Machen Sie Ihr Kreuz an der richtigen Stelle“. Die Idee stamme von der Titantic-Redaktion, Jörg Knapp habe sich über das Plakat noch keine Gedanken gemacht, sagt nur so viel, dass „Jesus eine Provokation für Hitler“ sei. Ob diese satirische Form dazu beitragen soll, dass Menschen nicht die AfD oder Rechtsextreme wählen? „Ich weiß es nicht“, sagt Knapp, „da befinden wir uns im Graubereich der Psychologie. Der Wähler entscheidet selbst, wo er sein Kreuz setzt. Wir hoffen, bei uns.“ Weitere Beispiele? „Möpse streicheln? Wählt uns!“, „Hat immer Recht und ist sehr gut“, „Sex – Weil Schlagwörter attraktiv machen.“

Zur AfD will sich Knapp nur ungern äußern, räumt jedoch ein, dass eine gewisse Parallele in der Kritik an den etablierten Parteien bestehe: „Wir bezeichnen alle Parteien, die bislang an Regierungen beteiligt waren, als ‚Versagerparteien‘, weil CDU, SPD, FDP, Grüne und Linke aufgrund von Korruption und Misswirtschaft versagt haben.“ Der Unterschied zur AfD liege hingegen darin, dass diese „das System“ verändern wolle. „Wir wollen das System gar nicht verändern, sondern zu unseren Gunsten nutzen. Wir versprechen vor der Wahl alles, aber können uns nach der Wahl vielleicht nicht mehr daran erinnern. Wie gesagt: Wir sind auch korrupt, aber billiger.“ Ein Beweis dafür sei alleine schon die Tatsache, dass die PARTEI keinen einigen Wahlkampf-Bus habe, mit dem Steuermittel verschwendet und CO2 produziert werde.
Ob er sich als Politiker oder als eine Karikatur eines Politikers sieht? Knapp: „Wäre ich Politiker würde ich nichts tun. Da ich mich für die PARTEI derzeit täglich aufreibe, sehe ich mich eher als Karikatur – und werde dann versagen. Die Politiker sind derzeit ja alle im Hamsterrad unterwegs – denen kann man ja nur wünschen, dass sie gesund bleiben.“
Den Wahlkampf finanziert die PARTEI übrigens aus privaten Mitteln der rund 10.000 Mitglieder bundesweit. „Es kann bei uns natürlich auch schwarze Kassen geben, aber bekannt sind mir derzeit keine“, räumt Knapp ein.
Am Ende des Gesprächs wagt der 51-Jährige noch einen Ausblick auf bayerischen Landtagswahlkampf 2018. „Wenn die CSU uns Freibier spendiert, kriegen wir als PARTEI alle Bierzelte voll“, ist sich Knapp sicher. Und Knapp entschuldigt sich dann noch indirekt: „Ich bedanke mich für das Gespräch, den Champagner, das Koks und die Nutten“. Eigentlich sollte der PARTEI-Wahlkampf 2017 schmutziger werden – aber offenbar geht es da in Nürnberg noch etwas moderater zu.


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