Der Herbst vertieft den Sommer

Der Herbst vertieft den Sommer.

Die Blätter fallen von den Bäumen, Kinder sammeln Kastanien, im Hofgarten rechen die Gärtner das Laub zusammen. Er ist jetzt da. Ob wir wollen oder nicht. Der Herbst. Doch wenn Sie nun einen dieser melancholischen Texte zur düsteren dritten Jahreszeit erwarten, dann sollten Sie nicht weiterlesen. Denn ich liebe den Herbst und werde Ihnen in diesem Text beweisen, dass er die beste Jahreszeit von allen ist. Unmissverständlich wieß mich darauf ein Werbeschild zu einem Restaurant unweit des Nürnberger Handwerkerhofs hin – auf meinem Weg zur S-Bahn nach Ansbach in die Redaktion komme ich da oft vorbei. Ein Schild, auf dem handschriftlich weiß auf schwarz zu lesen war: „Der Herbst vertieft den Sommer.“ (M. Hinrich 1926-2015) Balkon 12-24 Uhr. Jawohl!

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Der Herbst ist super. Danke Mister Manfred Hinrich. Der in Berlin geborene und in Brandenburg gestorbene deutsche Kinderlieder- und Kinderbuchautor wusste wovon er redet. Bekannt ist Hinrich auch für seine Lebensweisheiten, die vielfach veröffentlicht wurden.

Wie ist das nun gemeint? Ich sehe das so: Da ich einen genialen Sommer hatte, wird der Herbst auch gut. Es geht einfach gut weiter. Ich habe im Herbst die Gelegenheit, den guten Sommer zu reflektieren. Denn jetzt habe ich auch mehr Zeit, die ich gemütlich zu Hause verbringen darf, wenn es draußen regnet. Was aber Hinrich ganz klar nicht meint ist, dass der Herbst nur der Übergang bis Weihnachten ist. Genau das denken aber viele und das gefällt mir überhaupt nicht. Seit 22. September 2016 haben wir Herbst. Am 21. Dezember 2016 beginnt der Winter. Am 1. Dezember beginnt die Adventszeit – auch ok. Aber ich will nicht schon ab Anfang Oktober Lebkuchen essen oder Schoko-Weihnachtsmänner vernaschen. Nein, denn ich will den Herbst. Und zwar ganz. Ich mag es, wenn es kühler wird. Ich mag es, wenn der Wind weht. Ich mag es, wenn es früher dunkler wird. Ich mag es, wenn sich wieder viele Menschen in Kneipen, auf Konzerten in der Kammer, bei Ausstellungen und im Theater treffen und Spaß haben. Und ich mag es auch, an den tollen Sommer 2016 zurück zu denken, den ich in vollen Zügen genossen habe – Sie doch sicher auch.

Der Herbst vertieft den Sommer. Ich denke im Herbst an den Sommer zurück und denke nicht an Weihnachten. Im Herbst gehe ich wandern, genieße die Luft im Ansbacher Schlossgarten und bin kreativer. Im Herbst schreibe ich kreativere Artikel und Kolumnen, habe die besten Ideen und entwerfe neue Visionen fürs nächste Jahr. Was steckt denn nun Philosophisches in dem Hinrich-Satz? Kann man die Jahreszeiten auch als Lebensabschnitte sehen? Wäre ich mit meinen zarten 38 Jahren dann vielleicht mitten im Sommer? Denn wenn das so wäre, wie es Hinrich meint, dann steckt in seinem Satz auch eine gewisse Verantwortung sein Leben in die Hand zu nehmen und das beste daraus zu machen.

Wenn der Herbst den Sommer vertieft, dann freue ich mich schon darauf – dann kann es in meinen späteren Lebensabschnitten nur noch besser werden. Andererseits – so verstehe ich Hinrich – sollte man im Sommer des Lebens was tun, aktiv sein, tolle Projekte voran bringen, interessante Menschen treffen oder sich vielleicht für andere einsetzen. Es geht also auch um Sinn, so verstehe ich jedenfalls die „Vertiefung“, von der Hinrich spricht. Es ist also auch ein Apell gegen Oberflächlichkeit, einfache Antworten auf komplexe Fragen und Parolen. Es ist vielmehr ein Aufruf, mehr über den eigenen Tellerrand hinaus zu blicken, den eigenen Horizont zu erweitern und aus der Komfortzone zu treten. Das mag jeder für sich nun deuten, wie er möchte, wird sich jeder doch selbst einmal im Herbst (des Lebens) fragen (lassen) müssen oder können, wie er oder sie ganz persönlich den Sommer vertieft. Ja, es war für mich ein guter Sommer, in dem ich mich zum Beispiel entschieden habe, wieder nach Hause, nach Mittelfranken zu kommen und unter anderem für den ANBLICK zu schreiben. Und die Vertiefung dieser Entscheidung dieses Sommers sehen Sie hier vor sich: Das war doch keine allzu schlechte Kolumne, oder?


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